Karl Karner | Fichtengrau

11 April - 13 Juni 2024
Übersicht
You humans. You, with your names!
Every thing needs its name, you say, and you fail to realize that giving a name is always a form of taking.
The name is brutal.
It tears the thing out, roots and all, and moves it to another place. I know it only too well:
 
Every name is a transplantation.
 
 
Mum brings 1000 snails to heaven every day, she says. I think heaven is very big.

In the watering can is poison for the snails. We are frugal and only have one.

The forest is full of spruces like the garden with snails, both are not from here.

The forest needs us humans, says the farmer and starts the chainsaw, it's a pity that the forest has had to live without us for so long.

Shot 5 birds last week, all were ringed, starting to collect rings - am the only one with this hobby at the moment.

Hammered 80 nails into the spruce, I wonder when it will die?
 
 
That's the way it is.
But I grow into your names and out of them.
Where the names end, I begin to speak.
 
Text excerpt: Lea Wintterlin Quotes: Karl Karner
Werke
Pressemitteilung

Überlebensgroß und beinahe einschüchternd begegnen den Besucher*innen die biomorph anmutenden Skulpturen von Karl Karner in seiner aktuellen Ausstellung „Fichtengrau“ in der Galerie Kandlhofer. In ihrem Erscheinungsbild ähneln die aus Aluminium und Bronzeguss hergestellten Arbeiten fantastisch-futuristischen Lebensformen (oder sind es Landschaften?), deren Äußeres sich aus fein verästelten Strukturen und einer organischen Oberfläche zusammensetzen und dabei einen höchst fragilen Eindruck hinterlassen. 

 

Der Bezug zur Natur, und hier insbesondere zur Botanik, ist offensichtlich, wird dies in der Betitelung der einzelnen Werke recht eindeutig vom Künstler benannt. Die als widerstandsfähig bekannte Fichte dient als Namensgeber für Karners fast drei Meter hohen Skulpturen, die Titel wie „Fichtengrau“ oder „Fichtengrün“ tragen. Es wird hier ein eindeutiges Bild evoziert, das jedoch nur in verfremdeter Form in den ausgestellten Werken ihre Entsprechung findet. In ihrer vertikalen Anordnung und dem kahlen Äußeren erinnern die Arbeiten zwar vage an abgestorbene Bäume, jedoch wird dieses recht deutliche Bild bereits mit der unkonventionellen, man möchte fast sagen bizarren, Formensprache der Skulpturen im selben Moment bereits wieder aufgehoben. Diese basieren auf konkreten Vorlagen aus der Tier- und Pflanzenwelt, wie beispielsweise Pilze, Äste, Baumrinde oder Weinbergschnecken, die der Künstler mittels Abgüsse zu grotesken skulpturalen Wucherungen zusammenführt. Ergänzend werden fragmentarische Verweise auf das menschliche Zutun angedeutet, wenn die einzelnen Elemente zu kunstvollen Assemblagen zusammengeführt werden. Der Gedanke an eine Choreografie drängt sich bei Betrachtung der Skulpturen auf. 

 

Aus der Distanz betrachtet rückt dabei zunächst die figurative Silhouette der Objekte in den Vordergrund, nur um bei näherer Betrachtung eine Vielzahl von unterschiedlichsten organischen Formen zu offenbaren, die den Blick der Betrachter*innen unweigerlich in die Tiefe surreal anmutender Landschaftsszenerien lenkt. Diese werden vom Künstler teils patiniert, teils mit Lehmschlicker überzogen. Das Ergebnis ist ein ästhetisch homogener Gesamteindruck, der den Skulpturen beinahe eine klassische Erscheinung verleiht. Der Mensch blickt aus seiner Beobachterposition auf ein künstlerisches Amalgam unserer Realität, die, fast bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, im Moment seiner Entstehung eingefroren ist. Karners Reflektionen über das Wechselverhältnis von Mensch und Natur scheinen in den Skulpturen ihre Materialisierung zu erfahren: Ausgehend von dem konkreten Motiv der Fichte, die als besonders robuste Baumart im 20. Jahrhundert prädestiniert war für die Aufforstung der Wälder, wird die ganze Tragweite der menschlichen Fehlhandlungen der vergangenen Jahrzehnte treffend vor Augen geführt; denn angesichts des Klimawandels ist tragischerweise gerade die Fichte eines jener Baumarten, die am gravierendsten von der Erderwärmung betroffen ist. 

 

Es ist ein konstatierender Blick auf unsere Gegenwart und weniger eine deutliche Kritik, die hier von Karner vorgenommen wird – Pessimismus ist dem Künstler fremd, vielmehr werden zarte Hoffnungszeichen erkennbar, wenn einzelne Sprösslinge aus dem Untergrund einer seiner Skulpturen sprießen. Karner hat den Untergrund spezifischer Arbeiten mit Saatgut präpariert, deren Bewässerung er persönlich vornimmt. Während der Ausstellungslaufzeit wird demnach die Skulptur eine Metamorphose erleben, die sinnbildlich für das menschliche Potential steht, durch Achtsamkeit gegenüber der Natur, den bereits entstandenen Schaden etwas entgegenzusetzen und nicht in Teilnahmslosigkeit zu verharren. 

 

Text von Sergey Harutoonian

 

Ausstellungsansichten
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